Dysplasie-Sprechstunde am Krankenhaus Reinbek ist von Krebsgesellschaft zertifiziert für Abklärungen bei Frauen mit auffälligen Befunden
Chefarzt Prof. Jörg Schwarz (li.) und Oberarzt Roland Flurschütz (r.) sind auf die Behandlung von Krebsvorstufen an den weiblichen Genitalien spezialisiert und sind darum von der Deutschen Krebsgesellschaft ausgezeichnet worden. Mit dem hochauflösenden Videokolposkop im Hintergrund können die Hautveränderungen besser erkannt und die sogenannten Dysplasien ambulant behandelt werden.
Anfang des Jahres sind neue Richtlinien für die Krebsvorsorge des Gebärmutterhalskrebses in Kraft getreten. Ziel der Vorsorge ist es, sogenannte Zellveränderungen (Dysplasien) am Muttermund frühzeitig zu erkennen und diese dann schonend durch eine Operation zu beseitigen. Dadurch kann die Entstehung des Gebärmutterhalskrebses, ein so genanntes Zervixkarzinom, verhindert werden. Bis jetzt erfolgte die Vorsorge durch eine jährliche Untersuchung eines Zellabstriches vom Muttermund (Zytologie). Hinzugekommen ist das Angebot, ab dem 35. Lebensjahr den Abstrich auf HPV (Humane Papillom Viren) zu untersuchen und somit die Vorsorgegenauigkeit zu erhöhen. Neu ist auch, dass bei einem auffälligen Abstrich und Nachweis von HPV eine weitere Diagnostik durch einen von der KV zugelassenen Untersucher erfolgen muss.
Seit vielen Jahren wird in der Frauenklinik am Krankenhaus Reinbek durch den Chefarzt Prof. Jörg Schwarz und Oberarzt Roland Flurschütz eine Dysplasie-Sprechstunde angeboten. Aufgrund der hohen Expertise und mehr als 180 Untersuchungen im Jahr 2019 hat Flurschütz nun von der Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein eine persönliche Ermächtigung zur Durchführung der weiteren Untersuchungen (sogenannte „Abklärungskolposkopie“) bei auffälligem Befund erhalten. Niedergelassene Gynäkologen überweisen ihre Patienten mit auffälligen Krebsvorsorge-Ergebnissen zur ambulanten Abklärung und Behandlung ins St. Adolf-Stift. Roland Flurschütz sagt: „Wir verfügen über ein hochauflösendes Videokolposkop, mit dessen Hilfe wir die Haut am Genitale und den Muttermund stark vergrößert darstellen und genau untersuchen können. Im Rahmen der Dysplasie-Sprechstunde werden spezifische Tests am Gewebe zur besseren Darstellung von Dysplasien bis hin zu gezielten Biopsien, also Probenentnahmen durchgeführt.“ Je nach Ergebnis der Gewebeprobe muss eventuell eine Operation am Gebärmutterhals erfolgen. Auf schonende ambulante Eingriffe etwa durch Laserbehandlung oder eine Schlingenabtragung unter kolposkopischer Sicht sind die Gynäkologen im St. Adolf-Stift spezialisiert.
Die Dysplasie-Sprechstunde wurde von der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG) nun auch noch ganz offiziell zertifiziert. Im Kreis Stormarn gibt es aktuell nur eine weitere zertifizierte Dysplasie-Sprechstunde, in Hamburg sind es 3 Einrichtungen, die eine solche zertifizierte Sprechstunde anbieten. Chefarzt Prof Jörg Schwarz erklärt: „Neben einer entsprechenden Expertise wie einem Kolposkopie-Diplom der Arbeitsgemeinschaft für Zervixpathologie und Kolposkopie (AGCP), strukturellen und technischen Anforderungen, mussten wir als Krankenhaus eine Mindestanforderung an korrekt durchgeführten Untersuchungen und leitliniengerechten Behandlungen bei Dysplasien gegenüber der DKG nachweisen. Über 100 Behandlungsdaten wurden im Auftrag von DKG und Onkozert von Experten der AGCPC anonymisiert erfolgreich überprüft.“
Seit 2007 wird von den Krankenkassen für Mädchen und seit 2018 auch für Jungen zwischen 9 und 14 Jahren (auf jeden Fall möglichst vor dem ersten Geschlechtsverkehr) eine Impfung gegen das humane Papillomvirus (HPV) bezahlt. HPV ist der häufigsten Auslöser für Dysplasien und daraus entstehenden Gebärmutterhalskrebs. Roland Flurschütz sagt: „Wir haben insofern die Hoffnung, dass wir in 20, 30 Jahren weit weniger Krebsvorstufen und vor allem Karzinome sehen werden, als aktuell. Dafür ist es aber wichtig, dass Eltern und ihre Töchter sich frühzeitig über die Impfung informieren und diese rechtzeitig bei ihrem Kinderarzt, Hausarzt oder einem niedergelassenen Gynäkologen durchführen lassen. Damit können schwere, die Sexualität und Lebensqualität einschränkende Erkrankungen bis hin zum Tod vermieden werden. Weil es sich um sexuell übertragbare Erreger handelt, ist eine Impfung seit 2018 auch für Jungen angeraten, damit sie die Viren nicht auf ihre Sexualpartnerinnen übertragen.
Hintergrund: Was ist eine Dysplasie?
Dysplasie bedeutet „Zellveränderung“. In der Frauenheilkunde können diese vor allem am Muttermund (Portio) und äußeren Genitale (Vulva) entstehen. Die Dysplasie am Muttermund entsteht aufgrund einer langjährigen Infektion mit dem humanen Papillomvirus (HPV). HPV-Viren werden beim Geschlechtsverkehr übertragen. Die meisten Frauen haben im Laufe ihres Lebens eine vorübergehende Infektion mit diesen Viren. Nur wenn das Virus über mehrere Monate verbleibt, kann es zu einer Dysplasie kommen. Es sind viele verschiedene Typen des HPV bekannt, die in verschiedene Gruppen eingeteilt werden. Die Gruppe der „High-Risk“ HP-Viren stellt dabei ein größeres Risiko für Zellveränderungen dar. Die Zellveränderungen werden in leicht-, mittel- und schwergradige Dysplasien unterteilt. Dank der regelmäßigen Abstrichkontrollen (PAP-Abstrich) beim Gynäkologen werden Zellveränderungen meist frühzeitig entdeckt und es entwickelt sich nur selten ein Gebärmutterhalskrebs (Zervixkarzinom). Für die Dysplasie des äußeren Genitales können sowohl eine HPV-Infektion als auch Erkrankungen der Haut (z.B. Lichen sclerosus) ursächlich sein. Ohne entsprechende frühzeitige Therapie können sich diese Zellveränderungen zu einem bösartigen Tumor entwickeln (Vulvakarzinom).